Stecken wir in einer Krise?

Rainer Karius, deutscher Management- und Verkaufstrainer sagte

"Führung ohne Rücksicht auf Emotionen ist wie Segeln ohne Rücksicht auf den Wind."

 

Vielleicht hast du ein ungutes Gefühl wenn du an Führung denkst oder wenn du die Abläufe in deiner Firma betrachtest.

Alles Top? Na dann herzlichen Glückwunsch. Wenn nicht, warum hast du dieses Gefühl?

 

Schauen wir uns doch einmal genauer an wie es um uns herum aussieht. In der folgenden Betrachtung möchte ich die gewohnten Bahnen verlassen und von außen auf das System blicken.

 

 

Das Bild zeigt die aus dem System hervorgehobenen Bestandteile und deren Beziehung zueinander.

 

Zuerst möchte ich noch einige der im folgenden verwendeten Begriffe und deren Bedeutung erläutern.

 

Komplex

Komplexität darf nicht mit kompliziert verwechselt werden. Wenn etwas kompliziert ist, kann es nicht jeder verstehen. Der Fachmann jedoch schon. Ein Beispiel hierfür ist der Motor in einem Auto. Ich könnte ihn nicht reparieren, für mich zu kompliziert. Der Fachmann kann es sehr wohl da er die Abläufe kennt und die notwendigen Schritte für die Reparatur. Der Vorteil bei komplizierten Dingen ist, dass auch ein Laie es lernen kann. Mit der entsprechenden Einweisung durch den Fachmann sollte es möglich sein den Motor zu reparieren, denn nach dem ersten Schritt folgt Schritt zwei und so weiter. Bei Komplexität sieht das schon anders aus. Hier kann ich nicht nach einem festen Ablaufplan die Schritte abarbeiten, um zum Erfolg zu kommen. Komplexe Systeme verhalten sich nicht vorhersehbar. Es gibt keine Regeln, die zu beachten wären. Auf Komplexität kann man nur reagieren. Das bedeutet ich brauche Fähigkeiten, die mich in die Lage versetzen, mit diesen nicht vorhersehbaren Ereignissen umgehen zu können. Das letzte womit man komplexen Systemen begegnen kann sind Ablaufpläne.

 

Management

Wenn ich hier von Management spreche ist dies nicht auf einzelne Personen bezogen sondern auf das System der Führung, welches auf dem von Frederick Taylor entwickelten System („Taylorismus“) basiert.

 

Regeln / Vorschriften

Hierunter fallen alle die Arbeitsabläufe regelnden Ablaufpläne, Zielvereinbarungen, Bearbeitungsrichtlinien und ähnliches.

 

 

Die Menschen im System

Ein Sprichwort sagt, „wo Menschen sind, da menschelt es“. Genau dies ist auch in unserem System der Fall. Die Momentan gerne zitierte Work-Life Balance funktioniert nicht. Es kann nicht gelingen, den Verstand oder die Emotionen an der Stechuhr abzugeben, um eine Trennung der Arbeit vom Leben zu erreichen. Da die Arbeit damit ein Teil des Lebens ist und der Mensch als Ganzes auch am Arbeitsplatz bestehen muss sind folgende Faktoren von bedeutender Wichtigkeit. Der Mensch ist Komplex. Du kannst nicht vorhersehen wie ein Mitarbeiter sich verhält auch wenn er ein weiteres Mal in die gleiche Situation kommt. Menschen werden getrieben von Bedürfnissen, dies wissen wir spätestens seit den Veröffentlichungen von Abraham Maslow (Bedürfnispyramide). Die dem Menschen tieferliegende Triebfeder sind seine Emotionen. In unserer eher Intellektuell geprägten Gesellschaft haben Emotionen keinen Platz mehr. Gerne wären wir wie Mr. Spock aus der Serie Enterprise, der als halb Mensch und halb Vulkanier seine Emotionen auf der Basis seines Intellektes kontrollieren kann und damit in der Lage ist, immer rational zu entscheiden. Dies ist nicht der Fall, was uns jedoch nicht davon abhält dem Unbewussten weniger Bedeutung einzuräumen als der rationalen Entscheidung. Mal ehrlich, wann hast du ein Auto nur auf der Basis rationaler Entscheidungen gekauft?

 

 

Die Regeln im System

Hier haben wir eine Schwachstelle des Systems, welche im Allgemeinen als deren Stärke angesehen und für unabdingbar erachtet wird. Wir sind hier in eine Falle gelaufen, die sich aus dem Management und die dadurch benötigten Strukturen entstanden ist. Es gibt das Management, welches denkt und lenkt und deshalb den Ausführenden vorgeben muss was, wann und wie zu tun ist. Dies ist die einzig logische Konsequenz aus dem „Taylorismus“. Dieses System ist nicht mehr zeitgemäß, da die Rahmenbedingungen sich verändert haben. Wir haben heute keine trägen Massenmärkte mehr sondern hoch dynamische komplexe Märkte. Unser System der Regelungen sieht jedoch diese Komplexität nicht vor. Wie wir bereits bei der Erläuterung des Begriffs der Komplexität gesehen haben, funktionieren „Wenn – Dann“ Regeln hier nicht. Dies bestätigt uns auch Ashby´s Law, die aus der Kybernetik stammende Regel von William Ross Ashby, die vereinfacht sagt, „ein komplexes Problemsystem braucht mindestens ein ebenso komplexes Lösungssystem“.

 

 

Wie reagiert der Mensch auf diese Regeln?

Davon ausgehend, dass die Regeln die Qualität, Quantität und die Initiative der Mitarbeiter betreffen, werden die realen Ergebnisse immer hinter den Erwartungen zurückstehen. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass mit dem abarbeiten von Regeln die Problemlösungskompetenz der Mitarbeiter abnimmt. So belegt in den Veröffentlichungen von Prof. Dr. Gerald Hüther (Neurobiologe der Universität Göttingen). Durch die fehlende Stimulation werden die für Problemlösung zuständigen Areale im Gehirn dauerhaft nicht aktiviert.

 

 

Das Management im System

Wie bereits erwähnt sind wir dem „Taylorismus“ zugewandt. Dieses aus dem letzten Jahrhundert stammende Führungsmodell hat auch das aus dieser Zeit stammende Menschenbild mit im Gepäck. Dies ist gleichbedeutend mit einem eher negativen Bild des arbeitenden Menschen. Unterstützung findet dies noch in der falschen Auslegung der X-Y-Theorie von Douglas McGregor welche dann belegt, dass es den Mitarbeiter der Theorie X gibt, der zur Arbeit angetrieben werden muss. Heute wird dies dann verpackt in den gängigsten Management-Tools von Management by Objectives, Bonuszahlungen oder der Annahme, dass der Mitarbeiter von außen (extrinsisch) motiviert werden muss. Dies kann jedoch nicht gelingen, da wie bereits erwähnt die Motivation nur aus dem Mitarbeiter selbst heraus kommen kann (intrinsisch). Verantwortlich dafür sind dann wieder die erwähnten Bedürfnisse und Emotionen. So sind die Management-Tools nur dazu da auf durchsichtige manipulative Art den Mitarbeiter zu konditionieren, wie den pawlowschen Hund. Was dann eben nicht in Initiative und Engagement endet sondern im Vermeiden negativer Konsequenzen. Die viel zitierte Extrameile wird da keiner gehen wollen, warum denn auch? Gibt es denn dafür eine Belohnung?

 

 

Die Studien zum System

Kommen wir jetzt zu dem für das Management bestehenden blinden Fleck. Dies ist keine Schuldzuweisung sondern die logische Konsequenz aus dem angewandten Managementsystem („Taylorismus“). Es besteht keine Notwendigkeit sich damit zu beschäftigen, da diese Studien keine Lösungen des Problems im „Wenn – Dann“ Stil beinhalten und keine der bekannten Management-Tools zur Lösung benennen. Somit bleibt es dabei, dass die Lösung nur noch mehr sein muss, von dem was wir jetzt wissen, zum Problem geführt hat. Auf der anderen Seite wissen die Mitarbeiter unbewusst, intuitiv was für sie die Arbeitswelt bestimmenden Faktoren sind. Wir wissen aus der seit 2001 jährlich stattfindenden Gallup Studie zum Engagement Index Deutschland wie es mit der Identifikation der deutschen Arbeitnehmer bestellt ist. Was dazu führt, dass wir eine Schere haben, die mit der Zeit immer weiter auseinander gehen wird und die Entfremdung und damit den Verlust der Identifikation mit dem Arbeitgeber zur Folge haben wird.

 

Welches sind die entscheidenden Faktoren?

Ein Auszug aus den „Q12“ (Gallup Engagement Index Deutschland)

  • Der Mitarbeiter möchte als Person gesehen werden
  • Der Mitarbeiter möchte, dass seine Meinung zählt
  • Der Mitarbeiter möchte tun was er am besten kann
  • Der Mitarbeiter möchte gefördert werden

 

Weitere Faktoren ergeben sich aus den Studien von Prof. Dr. Gerald Hüther (Universität Göttingen) und Prof. Joachim Bauer (Universität Freiburg)

 

Zusammengefasst:

  • Der Mitarbeiter kann selbstbestimmt arbeiten
  • Der Mitarbeiter erkennt den Sinn in seiner Arbeit

 

Der Anhaltende innere Konflikt der Emotionen und Bedürfnisse auf der einen Seite und die abweichende Realität im System auf der anderen Seite, führen zu unbewussten psychischen Belastungen, die dann in der Folge zu psychosomatischen Erkrankungen führen können. Dies spiegelt sich auch in der Aussage der Gallup Studie zum Engagement Index Deutschland wider, wonach bereits rund 50% aller Arbeitnehmer von Burnout betroffen sind, durch Erkrankung oder weil sie kurz davor stehen zu erkranken. Das System steht unter einem sehr hohen Druck, der sich mit jeder weiteren Öffnung der Schere erhöht.

 

Stecken wir in einer Krise?

Wie denkst du?

 

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